Expertin für Einmischungspolitik – Victoria Nuland reist im Auftrag des State Department nach Kiew

Kiew - Maidan
Ukrainische Fahne auf dem „Euromaidan“ / Foto: Evgeny Feldman; Lizenz: CC-BY-SA 3.0

von Hans-Werner Klausen

Seit dem Beginn der regierungsfeindlichen Demonstrationen von EU-Anhängern in Kiew sind zahlreiche Politiker aus NATO- und EU-Staaten nach Kiew gereist, um auf die ukrainische Staatsführung Druck auszüben. Zu ihnen gehört Victoria Nuland, seit dem 18. September 2013 als Abteilungsleiterin im US-Außenministerium Chefin des Bureau for European and Eurasian Affairs (offizielle Bezeichnung der Dienststellung: Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs. Die Dienststellung eines „Assistant Secretary“ ist unter deutschen Verhältnissen mit einem Ministerialdirektor vergleichbar).

Washington, 18. September 2013
Victoria Nuland wird von US-Außenminister John Kerry als Leiterin des Bureau for European and Eurasian Affairs vereidigt.
Unter den Anwesenden: Senator John McCain, Ex-NATO-Generalsekretär Javier Solana, Victoria Nulands Ehemann Robert Kagan, dessen Bruder Frederick Kagan und Schwägerin Kimberly Kagan

Frau Nuland wird in dieser Woche zum zweiten Mal innerhalb der Wintermonate 2013/14 (Victoria Nuland hatte sich bereits am 11. Dezember 2013 in Kiew aufgehalten) nach Kiew reisen. Bei ihrer letzten Reise nach Kiew hatte Frau Nuland sowohl mit der ukrainischen Staatsführung gesprochen als auch zum Zeichen der Solidariät abgepackte Lebensmittel an die regierungsfeindlichen Demonstranten verteilt – für eine Diplomatin etwas ungewöhnliche Gepflogenheiten.

Victoria Nuland hatte seit Ende der 80er Jahre vielen US-Regierungen als Diplomatin und politische Beamte gedient, ist jedoch keine gewöhnliche Diplomatin . Hier zunächst ein Blick auf ihren Lebensweg bis zu Ihrer Ernennung auf ihren jetzigen Posten.

Victoria Nuland (geboren 1961) arbeitete von 1985 bis 1986 in Kanton (China) und 1987 im Büro für Ostasien und die Pazifikregion des US-Außenministeriums. Von 1991 bis 1993 war sie für die US-Botschaft in Moskau tätig. Dort beobachtete sie die russische Innenpolitik und schwerpunktmäßig den russischen Präsidenten Boris Jelzin und dessen Regierung (in diese Zeit fällt der Beginn der „Schocktherapie“ mit ihren katastrophalen Folgen für die russische Wirtschaft).

Von 1993 bis 1995 war Victoria Nuland Büroleiterin des stellvertretenden US-Außenministers Strobe Talbott ; Talbott ist gegenwärtig als Chef der Denkfabrik Brookings Institution Arbeitgeber von Victoria Nulands Ehemann Robert Kagan und war am 18. September 2013 Gast bei der Vereidigung von Frau Nuland). In dieser Zeit befaßte sich Frau Nuland u.a. mit der nuklearen Abrüstung Kasachstans, der Ukraine und der Republik Belarus, der US-Militärintervention auf Haiti und der US-Politik gegenüber Bosnien und Kosovo. Von 1996 bis 1997 war sie in leitender Stellung für eine Arbeitsgruppe des einflußreichen Council on Foreign Realations (CFR) tätig (Thema: „Russia, its Neighbors and an Expanding NATO“). Von 1997 bis 1999 arbeitete sie im State Department als „ Deputy Director for former Soviet Union affairs”, wo sie sich vorrangig mit Rußland und der Kaukasusregion befaßte. Von 1999 bis 2000 war sie erneut für den CFR tätig.

Victoria Nuland war von Juli 2000 bis Juli 2003 stellvertretende US-Botschafterin bei der NATO. Dort befaßte sie sich u.a.mit der Osterweiterung der NATO (von den Regierungen Clinton und George W. Bush betrieben – unter Bruch der mündlichen Zusicherungen, die der Sowjetunion während der Verhandlungen über die deutsche Einheit gemacht worden waren), mit dem Afghanistan-Krieg und (gemäß offizieller Biographie) der „Verteidigung der Türkei während der Operation Iraqi Freedom“) (1).

Der erste Höhepunkt in der Karriere von Victoria Nuland war ihre Tätigkeit im Büro von US-Vizepräsident Richard Cheney (genannt „Dick“ Cheney) vom Juli 2003 bis zum Mai 2005 als Principal Deputy National Security Advisor. Wie es in einer früheren offiziellen Biographie heißt, befaßte sie sich in dieser Zeit „mit einem breiten Spektrum globaler Fragen, darunter der Förderung von Demokratie und Sicherheit in Irak, Afghanistan, der Ukraine, Libanon und der Region des Mittleren Ostens“. Womit sich die USA in Afghanistan und Irak zu dieser Zeit befaßten, dürfte bekannt sein. In der Ukraine fand während dieser Zeit die „Orangene Revolution“ und in Libanon die „Zedernrevolution“ statt. Im Klartext – Victoria Nuland befaßte sich als Principal Deputy National Security Advisor im Büro Cheney mit Einmischungspolitik.

Von 2005 bis 2008 war Victoria Nuland US-Botschafterin bei der NATO : hier befaßte sie sich mit dem Afghanistan-Krieg, den Beziehungen der NATO zu Rußland und der weiteren Ausdehnung der NATO (die USA streben sowohl die Einbeziehung der Ukraine, Georgiens, Albaniens und der Nachfolgestaaten Jugoslawiens in die NATO an). Von 2008 bis 2010 war Frau Nuland für eine Militärakademie (National War College) tätig.

Für die Regierung Obama war Victoria Nuland von Februar 2010 bis Juni 2011 als Sonderbeauftragte für die konventionellen Streitkräfte in Europa tätig. Seit Juni 2011 war Victoria Pressesprecherin des US-Außenministeriums. In dieser Eigenschaft präsentierte sie der Öffentlichkeit die offizielle Version über den NATO-Überfall auf Libyen und die Lügen der US-Regierung über die Lage in Syrien.

Victoria Nuland spricht Russisch, Französisch und etwas Chinesisch.

Victoria Nulands Ehemann Robert Kagan (geb. 1958) und einige seiner Verwandten sind ebenso bemerkenswerte Persönlichkeiten wie Frau Nuland. Robert Kagans Vater, Donald Kagan war im Jahre 1997 unter den Unterzeichnern der Prinzipienerklärung des neokonservativen Project for the New American Century (PNAC), Frederick Kagan (Robert Kagans Bruder) arbeitet als Militärwissenschaftler für das American Enterprise Institute (AEI) und beriet zeitweilig das amerikanische Oberkommando in Afghanistan, Kimberly Kagan (Robert Kagans Schwägerin) ist Präsidentin des Institute for the Study of War (wo sie sich für die Fortsetzung der Kriege in Irak und Afghanistan einsetzte).


mit Victoria Nuland verheiratet: Neocon-Ideologe Robert Kagan (Foto: http://www.state.gov/img/15/62700/robert_kagan_200_1.jpg)

Der Politikwissenschaftler und Propagandist Robert Kagan ist einer der führenden Ideologen und Propagandisten der US-amerikanischen Neokonservativen („Neocons“). Gemeinsam mit William Kristol gründete er 1997 das Project for the New American Century (PNAC) und 2009 dessen Nachfolgeeinrichtung Foreign Policy Initiative (FPI). PNAC und FPI setzen sich für die globale Vorherrschaft der USA und die weltweite Durchsetzung von Demokratien (westlichen Typs) und freien Märkten ein. Die FPI und ihre Unterstützer warben seit 2009 mit Konferenzen, Erklärungen, Artikeln und Offenen Briefen für die Intensivierung des Krieges in Afghanistan, für den Verbleib der Besatzungstruppen im Irak, gegen Kürzungen der US-Militärausgaben, für einen harten Kurs gegen Iran und für mehr Härte gegen Russland und China. Im Jahre 2011 trieb die FPI zur “humanitären Intervention” gegen Libyen. Seit 2011 wirbt die FPI für die Unterstützung der in Syrien operierenden konterrevolutionären Banden.

Bereits in der Vergangenheit haben die Neokonservativen mehrmals Offene Briefe mit der Forderung nach „Regimewechseln“ in mißliebigen Staaten veröffentlicht. Im Januar und Februar 1998 forderten Offene Briefe des PNAC und des Committee for Peace and Security in the Gulf (CPSG) den Surz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein, im September 1998 forderte ein Offener Brief an Clinton den Sturz des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic.

Victoria Nulands Ehemann Robert Kagan (der seit 2011 einem ehrenamtlichen Beratergremium bein State Department angehört und 2012 den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney beriet) besitzt traditionell gute Beziehungen zum republikanischen Senator und früheren Präsidentschaftsbewerber John McCain (der auch bei Vicroria Nulands Vereidigung anwesend war). McCain hatte sich schon vor der Präsidentschaft von George W. Bush seit Jahren als außenpolitischer Scharfmacher profiliert und er hatte – gegen die damalige Mehrheitsmeinung bei den Republikanern – Clintons “humanitäre Interventionen” auf dem Balkan unterstützt. 2008 gehörte Kagan zu den Beratern McCains.

Kagan im Jahre 2003 über sein Verhältnis zu den US-Parteien:

„The Democrats are better at liberal internationalism, but they’re not so good at wielding power. I would say that if there were a Joe Lieberman/John McCain party, I’m in the Joe Lieberman/John McCain party.“

Die Anwesenheit von McCain und mehreren Angehörigen der Familie Kagan bei Frau Nulands Vereidigung symbolisiert den – seit der Truman-Präsidentschaft bestehenden – parteiübergreifenden („bipartisan“) Konsens in der US-Außenpolitik für die Gewährleistung der globalen Vorherrschaft der USA.

McCain wie Frau Nulands Gatte Robert Kagan setzen sich seit Jahren für eine antirussische Politik der USA und die Förderung von „Frabenrevolutionen“ ein. Als das PNAC am 28. September 2004 einen Offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs von NATO und EU gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin veröffentlichte, befanden sich sowohl Kagan und McCain als auch der jetzige US-Vizepräsident Joseph Biden unter den Unterzeichnern.

In einem Interview mit der Zeitung “Die Welt” erklärte Kagan im Dezember 2007 in Bezug auf Rußland und China, dass dort jede Opposition automatisch strategischer Partner der USA und Europas sei. Bemerkenswert ist in diesem Interview auch Kagans Eingeständnis: “Russland und noch mehr China bieten Modelle autokratischer Regierung an, die Ordnung, Wohlstand und Entwicklung garantieren.” Damit hat Kagan vielleicht einen der Gründe für den Einsatz westlicher Kreise zugunsten der “Menschenrechte” in Russland und China ausgeplaudert.

Die Berufung der Rußlandexpertin und ehemaligen Cheney-Beraterin Victoria Nuland auf ihren jetzigen Posten war ein sicheres Indiz für eine Verschärfung der antirussischen Politik Washingtons. Die Indizien haben sich nicht als trügerisch erwiesen.

(1) Victoria Nuland: Offizielle Biographie aus ihrer Zeit als US-Botschafterin bei der NATO
http://2001-2009.state.gov/outofdate/bios/n/53707.htm

Erstveröffentlichung des Artikels: „Berliner Umschau“ vom 5. Februar 2014