USA auf dem Weg zu neuen Menschenrechtskriegen ? – „Genocide Prevention Task Force“ gibt Empfehlungen für künftige US-Außenpolitik

Von Hans-Werner Klausen

Zahlreiche politische Institutionen und Arbeitsgruppen haben in den Wochen vor und nach der US-Präsidentenwahl Empfehlungen für die Außenpolitik der künftigen US-Regierung veröffentlicht. Darunter befindet sich eine „Genocide Prevention Task Force“, deren Bericht am 8. Dezember 2008 veröffentlicht wurde.

Die Arbeitsgruppe war im November 2007 eingesetzt worden und wurde von der Demokratin Madeleine Albright (1997 bis 2001 Außenministerin unter Präsident William Jefferson Clinton) und dem Republikaner William Cohen (1997 bis 2001 Clintons Kriegsminister) geleitet. Trägerinstitutionen der „Genocide Prevention Task Force“ waren das staatliche United States Institute of Peace, das United States Holocaust Memorial Museum und die American Academy of Diplomacy (ein lockerer Zusammenschluß früherer hochrangiger Diplomaten und politischer Beamter des State Department).

Der Bericht der Arbeitsgruppe trägt den Titel „Preventing Genocide: A Blueprint for U.S. Policymakers“. Der Bericht fordert, daß die Verhinderung von Genoziden und „mass atrocities“ (ein noch dehnbarerer Begriff als „Genozid“) zu einer der höchsten Prioritäten der künftigen US-Außenpolitik erhoben wird. Gefordert wird die Schaffung eines an den Nationalen Sicherheitsrat beim Präsidenten angebundenen „Atrocities Prevention Committee“ und die Einbeziehung von Richtlinien zur Verhinderung von Genoziden in die US-Militärdoktrin. Die Geheimdienste sollen in ihre jährlichen Analysen über mögliche Gefahren für die USA künftig Berichte über mögliche „genozidale Situationen“ in der Welt mit einbeziehen.

Für die Verhinderung von Genoziden und „mass atrocities“ sollen sowohl die UNO als auch die NATO und regionale Organisationen eingesetzt werden. Innerhalb des Budgets der US-Auslandshilfe sollen jedes Jahr 250 Millionen Dollar bereitgestellt werden, um in Notsituationen – wenn nötig unilateral – handeln zu können. Für Reaktionen auf Genozide und „mass atrocities“ soll zunächst der UNO-Sicherheitsrat sein. Für den Fall, daß der Sicherheitsrat nicht die nötigen Beschlüsse verabschiedet, sollen die USA entweder die NATO einsetzen oder eine „coalition of like-minded nations“ in Bewegung setzen.

Der Bericht der „Genocide Prevention Task Force“ weckt Erinnerungen an den Kosovo-Krieg. Die damalige NATO-Aggression gegen Serbien war der Öffentlichkeit mit Erfolg als „humanitäre Intervention“ zur Verhinderung eines angeblich drohenden Völkermordes verkauft worden. Die Bundesrepublik Deutschland war unter der Parole „Nie wieder Auschwitz“ in ihren ersten Angriffskrieg geführt worden, Joseph Fischer und sein alter Kumpel Daniel Cohn-Bendit konnten auf diese Weise die einstige Ökopax-Partei „DIE GRÜNEN“ in das grüne Bataillon der NATO umformen. Madeleine Albright und William Cohen, unter deren Leitung die jetzige „Genocide Prevention Task Force“ stand, hatten als Außenministerin und als Kriegsminister des Präsidenten William („Bill“) Clinton direkte Verantwortung für den Überfall auf Serbien getragen. In der offiziellen Biographie William Cohens auf der Internetpräsenz der „Genocide Prevention Task Force“ wird stolz und sachlich zutreffend berichtet: „Under his leadership, the U.S. military conducted operations on every continent, including the largest aerial bombardment (Kosovo and Bosnia) since World War II.“

Die „Genocide Prevention Task Force“ besteht aus insgesamt 12 Mitgliedern und hat eine politische Zusammensetzung, die im amerikanischen politischen Sprachgebrauch als „bipartisan“ bezeichnet wird. In einem Artikel über den Bericht einer anderen „bipartisan“ Arbeitsgruppe hatte Knut Mellenthin am 27. Oktober 2008 in der elektronischen Zeitung hintergrund.de den Sinn dieses Begriffes zutreffend wiedergegeben:

„‘Bipartisan‘ bedeutet, positiv interpretiert, dass Politiker beider Kongressparteien beteiligt sind und dass Kompromisse jenseits der Parteigrenzen angestrebt werden. Negativ gesehen geht es darum, parlamentarische und demokratische Mechanismen durch klüngelhaftes Zusammenwirken hinter den Kulissen im Vorfeld von Entscheidungen zu unterlaufen.“

Einige Mitglieder der „Genocide Prevention Task Force“ sollen unseren Lesern kurz vorgestellt werden.

Thomas („Tom“) A. Daschle war in den Jahren 1987 bis 2005 demokratischer Senator und ist für den Posten des Gesundheitsministers in der Regierung Obama vorgesehen. Im August 2007 hatte Daschle gemeinsam mit den langjährigen Senatoren Baker, Dole und Mitchell das Bipartisan Policy Center gegründet.

Der pensionierte General Anthony Zinni war in den Jahren 1997 bis 2000 Chef des US Central Command (zuständig für den Nahen und Mittleren Osten, die mittelasiatischen GUS-Staaten und Ostafrika). Ihm werden gute Beziehungen zum pensionierten General James Jones nachgesagt, der unter Obama Sicherheitsberater des Präsidenten werden soll.

Michael Gerson ist ein früherer Redenschreiber von Präsident George W. Bush und ein der christlichen Rechten nahestehender Evangelikaler.

Jack Kemp hatte seine Karriere als Football-Profi begonnen, war von 1971 bis 1988 republikanischer Kongreßabgeordneter und von 1989 bis 1993 Wohnungsbauminister. 1996 hatte er erfolglos für das Amt des Vizepräsidenten kanidiert. Jack Kemp ist institutionell mit dem neokonservativen Klüngel verbunden: er ist Mitglied des Board of Advisors beim militaristischen Jewish Institute of National Security Affairs (JINSA) und gehört den neokonservativen Organisationen Committee on the Present Danger (CPD) und Foundation for Defense of Democracies (FDD) an. In den Jahren 2005 bis 2006 leitete er gemeinsam mit dem Demokraten John Edwards eine Arbeitsgruppe des einflußreichen Council on Foreign Relations zu den russisch-amerikanischen Beziehungen. Der Bericht dieser Arbeitsgruppe wurde im März 2006 unter dem programmatischen Titel „Russia’s Wrong Direction“ veröffentlicht und gab der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin viele schlechte Noten.

Vin Weber war in den Jahren 1980 bis 1992 republikanischer Kongreßabgeordneter und verdiente danach als Lobbyist sein Geld. 1997 war Vin Weber unter den Unterzeichnern der Prinzipienerklärung des neokonservativen Project for the New American Century (PNAC). In den Jahren 1998 bis 2001 gehörte Weber zu den Unterzeichnern mehrerer Offener Briefe des PNAC. Am 29. Januar 1999 war Vin Weber unter den Unterzeichnern eines unter dem Titel „NATO must act in Kosovo“ veröffentlichten Offenen Briefes an Clinton. Dieser gemeinsame Offene Brief des PNAC, des Balkan Action Council, der Coalition for International Justice, der International Crisis Group und der New Atlantic Initiative forderte den Einsatz der NATO-Luftwaffe gegen Serbien, die Stationierung von Bodentruppen in Kosovo, die Einsetzung einer Übergangsverwaltung und ein Referendum über den Status von Kosovo nach drei Jahren.

Stuart Eizenstat war unter Clinton Unterstaatssekretär im Handelsministerium, Unterstaatssekretär im State Department und stellvertetender Finanzminister.

Mit Madeleine Albright, Vin Weber und Stuart Eizenstat sind drei staatsnahe Menschenrechtsorganisationen in der „Genocide Prevention Task Force“ vertreten. Vin Weber ist seit 2001 Vorsitzender des Board of Directors von National Endowment for Democracy (NED) – einer aus dem Staatshaushalt finanzierten „privaten“ Organisation, die von der US-Regierung ebenso unabhängig ist wie die Komintern von der Sowjetunion. Madeleine Albright ist seit 2001 Vorsitzende des Board of Directors beim National Democratic Institute for International Affairs (NDI). NDI ist die parteinahe außenpolitische Stiftung der Demokraten und gleichzeitig eine Suborganisation von NED. Zur „NED-Familie“ gehört auch die Organisation Freedom House, die in der
„Genocide Prevention Task Force“ durch Stuart Eizenstat (Mitglied des Board of Trustees von Freedom House) vertreten ist. NED, NDI und Freedom House hatten eine wichtige Rolle bei der Organisierung der „Revolutionen“ in Belgrad, Tiflis und Kiew gespielt.

Wenn man an künftige Aktionsfelder der US-Außenpolitik im Zusammenhang mit den Empfehlungen der „Genocide Prevention Task Force“ denkt, dann fällt der Blick zunächst auf Afrika. In den letzten Jahren wurde immer wieder die Forderung nach einer westlichen Militärintervention gegen Sudan erhoben. Afrika könnte nicht zuletzt im Rahmen einer antichinesischen Strategie an Bedeutung gewinnen: afrikanische Staaten sind für China wichtige Rohstofflieferanten und da die Chinesen den Afrikanern keine ungebetenen Ratschläge hinsichtlich ihrer Innenpolitik geben, hatte die chinesische Diplomatie in den letzten Jahren in Afrika sehr erfolgreich agiert. Der im Bericht der „Genocide Prevention Task Force“ wiederholt erwähnte Begriff „mass atrocities“ ist noch dehnbarer als der Begriff „Genozid“ und könnte als Anlaß für Interventionen in weiteren afrikanischen Ländern dienen. Obama als Sohn eines Kenianers hätte gute persönliche Voraussetzungen, um der linksliberalen Öffentlichkeit des Westens eine imperialistische Interventionspolitik in Afrika in der richtigen Verpackung präsentieren zu können und Obamas designierte UNO-Botschafterin Susan Rice hätte zumindest die politisch korrekte Hautfarbe. Auch außerhalb Afrikas gibt der Begriff „mass atrocities“ viele Möglichkeiten, um im Sinne der „Genocide Prevention Task Force“ gegen andere Staaten vorgehen zu können – zum Beispiel Burma (Myanmar) oder Nordkorea.

Die Empfehlungen der „Genocide Prevention Task Force“ könnten im Falle ihrer Umsetzung bedeuten, daß Kriege künftig wieder wie in der Clinton-Ära der Öffentlichkeit als „humanitäre Interventionen“ verkauft werden, während die Bush-Krieger ehrlich genug waren, um Kriege als Kriege zu bezeichnen. Während die Bush-Krieger und ihre intellektuellen Stichwortgeber ihre Verachtung für die UNO offen gezeigt haben, legen die Clintonisten mehr Wert auf die Instrumentalisierung der UNO. Dabei stört jedoch das lästige Vetorecht Rußlands und Chinas. Deshalb werden die USA (wie dies auch die „Genocide Prevention Task Force“ empfiehlt) bei Bedarf nicht darauf verzichten, die NATO (wie beim Kosovo-Krieg) oder „Koalitionen der Willigen“ einzusetzen. Sollten die Empfehlungen der „Genocide Prevention Task Force“ politisch umgesetzt werden, so würde dies auf einen Freibrief für künftige „humanitäre Interventionen“ in allen Weltteilen hinauslaufen – ohne Rücksicht auf das Völkerrecht.

Die „Genocide Prevention Task Force“ im Internet:

http://www.usip.org/programs/initiatives/genocide-prevention-task-force

Erstveröffentlicht am 15. Dezember 2008 in der „Berliner Umschau“